Ortsbildschutz ist dringender denn je Ortsbildschutz ist dringender denn je: es wurden zwar fast überall „Kernzonen“ festgelegt, um die Eigenart von Dörfern und Städten oder einzelnen Quartieren lebendig zu erhalten, doch die sie betreffenden Vorschriften in den Bau- und Zonenordnungen dienen nicht dem substantiellen Schutz von Vorhandenem, sondern regeln nur, wie sich Neues einzugliedern hat. Die Kernzonenordnungen genügen deshalb nicht, um die schonungslosen baulichen Eingriffe abzuwehren, die heute meistens mit dem Hinweis auf notwendige Verdichtung und erstrebenswertes Energiesparen zu rechtfertigen versucht wird.
Dättlikon ZH, Südwestecke des Pfarrhauses am Kirchhügel und renoviertes Bauernhaus im Zentrum des Ortsbilds von überkommunaler Bedeutung. Projektierte Neubauten anstelle von zwei 1884 erbauten und ins Inventar der schützenswerten Objekte aufgenommenen Bauernhäusern in nur rund 50 Meter Entfernung, drohen das Ortsbild beträchtlich zu stören. Nicht einmal die Aussmasse der Bauten, sollen erhalten bleiben.
Es ist bedauerlich, dass da und dort die Bewilligungsbehörden dem Druck von Eigentümern und Bauwirtschaft nur allzu oft mit fadenscheinigen Begründung nachgeben. Der Ortsbildschutz soll dafür sorgen, dass eindrückliche, charakteristische Orte erhalten bleiben und ihre historische Entwicklung ablesbar bleibt. Nicht nur einzelne Baudenkmäler, sondern ganze Baugruppen samt dem zugehörigen, grösseren oder kleineren Aussenraum sollen davon zeugen, wie sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Laufe der Zeit geändert haben. Dies erfordert den Schutz der aussagekräftigen Originale, denn sogenannte Ersatzbauten haben nie dieselbe Ausstrahlung, wie die echten Zeugen.
Wenn Ersatzbauten oder Erweiterungen unumgänglich sind, soll das Neue so eingeordnet werden, dass die Eigenart des schützenswerten Ortes bewahrt bleibt. Baufachleute, denen die Erfüllung dieser Forderung schwerfällt, haben das Wort „weiterentwickeln“ entdeckt – mit ihm lässt sich jeder architektonische Exhibitionismus legitimieren. Ist ein Ort schützenswert, muss er nicht „weiterentwickelt“ werden, oder anders gesagt: das Lebendig-Erhalten sollte in Pflege und Renovation der Substanz bestehen. Auch in den Wegleitungen zum Bauen und in Erläuterungen von Schutzvorschriften werden die Ziele des Ortsbildschutzes zunehmend verwässert.
Affoltern a. A., Zürcherstrasse beim Kronenplatz. Die Eigentümer und die Gemeinde wehrten sich gegen eine Unterschutzstellung. Unter anderem behaupteten sie, die Kernzonenvorschriften, die Ersatzbauten verlangten, genügten als Schutz. Wie im Anzeiger für den Bezirk Affoltern (1. März 2013) zu lesen war, hob das Baurekursgericht den Entschluss des Gemeinderats auf, die Häusergruppe aus dem Inventar zu entlassen. Es handle sich hier um Bauten, "die das Quartier in dominanter Weise prägen."
Es ist wichtig, dass sich die Verantwortlichen für den Ortsbildschutz wieder auf ihre Kernaufgabe konzentrieren. Sie besteht in einer sorgfältigen Beobachtung und Analyse des historisch Gewachsenen. Die Charakterisierungen der Ortsbilder von regionaler oder kantonaler Bedeutung im Kanton Zürich sowie die Umschreibungen der jeweiligen Schutzziele sind oft allzu sehr von einer ahistorischen Gestaltästhetik und von der Eventkultur bestimmt. Ein schützenswerter Ort muss nicht unbedingt Begegnungszone oder Ziel des Spektakel-Tourismus sein. Es kann sich um einen verträumten, romantischen Winkel, um ein Fabrikareal, um eine typische Einfamilienhaussiedlung einer Epoche oder auch um einen pulsierenden Stadtteil handeln. Zürich, Letten- und Wipkingerviadukt von 1894 bei der Überbrückung der Limmatstrasse. Der Lettenviadukt dient heute als Fussgänger- und Veloweg und führt zum ebenfalls erhaltenen, ehemaligen Bahnhof Letten. Die Unterstützung der Forderung nach Erhaltung dieser eindrücklichen Zeugen aus der jüngeren Geschichte Zürichs durch die Denkmalpflege wurde anfänglich heftig kritisert. Heute sind auch die Baufachleute darüber begeistert, dass es zur Sanierung und Erhaltung kam.