Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in einem im Juli 2014 rechtskräftig gewordenen Urteil die Stadt Uster und die Baudirektion des Kantons Zürich wegen ungenügender Prüfung eines Neubauprojekts im Umfeld von Schutzobjekten gerügt und die von den beiden Behörden erteilte Bewilligung aufgehoben.
Es handelt sich um das Projekt eines Neubaus auf der Obstwiese hinter dem Gujerhaus (auch "Schoggitaler-" oder "Kleinjogghaus" genannt) in Wermatswil bei Uster. * Das Verwaltungsgericht musste feststellen, dass das Wohnhausprojekt in denkmalpflegerischer Hinsicht und bezüglich der Einhaltung der Kernzonenvorschriften ungenügend geprüft worden ist. Weil das Ergebnis vertretbar sei, hat die Vorinstanz, d.h. das Baurekursgericht, den Bauentscheid der Behörden nicht selbst beurteilt. Das Verwaltungsgericht erklärt nun diese, die Behörden schützende Zurückhaltung gemäss neuerer Praxis als unzulässig.
* VB.2013.00380, vgl. auch: Wieviel Rücksicht gebührt dem Kleinjogghaus, NZZ 29. Juli 2014
Hauptfassade des 1740 erhöhten Hauses mit reicher, dekorativer Bemalung und Sprüchen von 1753 .
Das alte Bauernhaus, in dessen Obstwiese der Neubau zu stehen käme, zählt zu den bekanntesten schutzwürdigen Häusern im Zürcher Oberland. Im Jahr 1949 konnten dank der Schoggitaleraktion des Schweizer Heimatschutzes die beeindruckenden Malereien und Inschriften der Hauptfassade vor dem Untergang gerettet werden. 1990 wurde der ganze Wohnhausteil renoviert. Zur Bekanntheit des Hauses hat die irrtümliche Annahme beigetragen, dass es sich um das Geburtshaus des „Musterbauern Kleinjogg" (1716 - 1785) handle, der durch eine Schrift des Stadtarztes von Zürich weit über die damalige Eidgenossenschaft bekannt geworden ist.
Das Haus ist als Bohlenständerbau um 1660 errichtet worden. Diesen Bau hat man rund 100 Jahre später durch das Aufsetzen eines neuen, höheren Dachstuhls und die Malereien zu einem überdurchschnittlich repräsentativen Heimwesen umgebaut. Das Haus illustriert eindrücklich, den wirtschaftlichen Aufschwung im 18. Jahrhundert. Der grosse baugeschichtliche Zeugniswert liegt darin, dass die für die Aufschwungszeit der Landwirtschaft typischen Veränderungen deutlich ablesbar sind. Die Bohlenständerkonstruktion ist sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite recht gut erhalten. Letztere lässt den ursprünglichen Charakter des Hauses besser erkennen als die bemalte Vorderfassade, leider ist sie jedoch im Erdgeschoss wenig einfühlsam verändert worden.
Die Bohlenständerkonstrution der Rückseite zeigt deutlich, dass es sich von Anfang an um ein Bauernhaus mit Wohnteil und Stallscheune unter einem Dach gehandelt hat. Der Scheunenteil ist im späten 18. Jh. verkauft und teilweise zu einem zweiten Wohnteil umgebaut worden.
Das Haus ist ein bedeutender Zeuge der Baukunst und der bäuerlichen Wohnverhältnisse. Schutzwürdig ist aber auch das grüne Umgelände, nämlich der ehemalige Nutzgarten und die Obstwiese. In kaum einem Grundbucheintrag erscheint ein bäuerliches Heimwesen ohne dieses für die Selbstversorgung wesentliche Umfeld. Die Güterbeschreibungen beginnen meistens mit den Worten : „Haus, Kraut und Baumgarten ….“. Selbst Professionalisten (Handwerker, Wirte, Bäcker, Metzger, etc.) war in der Regel ein Gartenplätz und ein Stück Obstgarten zu eigen. Bei einem Haus in Wermatswil, dem ersten Ort des Wirkens von Kleinjogg Gujer hat dieses zum Schutzobjekt gehörige Umfeld besondere Bedeutung, war doch seine Art des Wirtschaftens allmählich zum Vorbild vieler Haushaltungen geworden. „Er richtete ums Haus herum einen Gemüsegarten ein, denn hier, so sagte er sich, konnten die Kinder nützlich und mit einer ihren Kräften angemessenen Arbeit beschäftigt werden. Zudem lieferte der Garten die alltägliche Nahrung, …. “, schrieb der Historiker Paul Kläui in seiner Geschichte von Uster.
Schweinestall hinter dem Gujerhaus, an dessen Stelle der hohe Neubau geplant ist. An den Kreis von Bauernhäusern des alten Dorfes schloss unmittelbar das offene Grünland an. Heute zeugen nur noch wenige Stellen mit Obstwiesen davon.
Der Neubau würde die Sicht von aussen auf den alten Kern verdecken und seine Architektur träte in Konkurrenz zum Gujerhaus und zu den daneben stehenden weiteren Schutzobjekten aus der bäuerlich-dörflichen Vergangenheit von Wermatswil. Von einer Einordnung in die bestehende Situation kann nicht die Rede sein. Ohne die hinten angrenzende Wiese wäre das Gujerhaus nicht mehr als typisches Vollbauernhaus zu erkennen. Ausserordentlich störend müssten auch die unvermeidlichen Einrichtungen um das Haus wirken. Die Zufahrt zur Garage, Sitz- und Spielplätze und ihre Möblierung in unmittelbarer Nachbarschaft der Schutzobjekte würden diese sehr beeinträchtigen. Es sind hier auch die Abgrabungen und die Ausebnungen des natürlichen Geländes sowie die Einzäunungen zu erwähnen, die alle zur unpassenden Veränderung des Umfelds beitrügen.
Gärten und Obstwiesen hinter dem "Schoggitalerhaus" und einer ebenfalls als schutzwürdig inventariserten Scheune (am linken Bildrand). Der Kubus des geplanten Neubaus ist anhand der auf der Foto sichtbaren Aussteckung rot markiert.
Wie oben erwähnt hat man den grossen Wert des Gujerhauses schon in den 1940er Jahren erkannt und es ist um 1990 aufwändig renoviert worden. Es ist deshalb unverständlich, dass bis heute nie ein definitv gültiger Schutzentscheid gefällt und nie ein den Eigentümer bindender Schutzvertrag abgeschlossen worden ist. Dies muss nun nachgeholt werden, wobei die Baudirektion bei der Festlegung des Schutzumfangs auch die Bedeutung der Obstwiese beurteilen muss. (ur Jul.14)
Literaturhinweis: Beat Frei, Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Bd. 2, besonders S. 217 ff.