Das Bauernhaus mit zwei Wohn- und einem Scheunenteil an der Dorfstrasse 16/18 wurde ohne genügendes Fachgutachten und aufgrund irrtümlicher Angaben aus dem Inventar der kulturhistorischen Schutzobjekte entlassen. Glücklicherweise hat aber der Gemeinderat doch beschlossen, mit einem Schutzvertrag die wichtigen Teile, soweit zu sichern, dass mindestens das für das Ortsbild bedeutende Äussere erhalten bleibt.
Für das Ortsbild wichtiges Haus Dorfstrasse 16 (weiss verputzter Teil rechts) und 18 (linker Teil mit Scheune).
Einen Grund für die auf Antrag der Eigentümer erfolgte Inventarentlassung – eigentlich nur eine Teilentlassung - sah der Gemeinderat darin, dass das Innere durch Umbauten stark entwertet worden ist. Besonders grosse Eingriffe fanden zwischen 1993 und 2011 statt, d.h. zur Zeit, als das Gebäude schon längst ins kommunale Schutzinventar aufgenommen worden ist. Wie ist so etwas möglich? Solange noch keine formale Unterschutzstellung vorgenommen worden ist, liegt die Verantwortung allein bei den Behörden. Die Behörden sind jedoch gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass eine Beeinträchtigung des inventarisierten Objekts vermieden wird. Die Baudirektion hat mehrmals alle Gemeinden mit Rundschreiben auf diese Pflicht hingewiesen und genauere Erläuterungen dazu gegeben. Leider hapert es aber bedenklich am Vollzug.
Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass dieser Hausteil erst 1804 angebaut wurde, wie der Gutachter behauptet, der die Schutzwürdigkeit beurteilen musste.
Die Eigentümer des ehemaligen Bauernhauses mit angebautem, zweiten Wohnteil beantragten eine Entlassung der Liegenschaft aus dem Schutzinventar. Ein in ihrem Auftrag erstelltes Gutachten empfahl allerdings dem Gemeinderat diesem Wunsch nicht nachzukommen und einen Unterschutzstellungsvertrag abzuschliessen.
Das Gutachten erfüllte jedoch die Anforderungen, die an eine solche Expertise gestellt werden müssen, nicht annähernd. Ein erster Teil handelt von den Besitzern im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Angaben stammen aus den Grundprotokollen, stimmen jedoch, was den Hausteil Dorfstr. 16 betrifft, nicht mit den für die Baugeschichte ergiebigeren Einträgen in den Büchern der Gebäudeversicherung überein. Eine stichprobenweise Konsultierung der betreffenden Grundprotokolle im Staatsarchiv durch das Heimatschutzforum deutet auf eine Verwechslung hin. Das früheste im Gutachten erwähnte Protokoll vom 23. September 1794 handelt allein vom Kauf eines Stücks Land, von einer bestehenden Liegenschaft ist entgegen der Angabe des Gutachters nicht die Rede. Die aufgrund einer Volkzählung im Jahr 1860 veröffentlichte Liste der Wohngebäude bestätigt die Verwechslung von Dorfstrasse 16 mit einem Teil von Dorfstrasse 18 (publiziert in: Max Fehr, Eso isch es gsi, hgb. vom Gemeinderat Unterengstringen 1988). Es wohnte damals der Landwirt Kaspar Nägeli im östlichsten Teil des ganzen Gebäudekomplexes, d.h. in Dorfstrasse 16.
Einträge für den Hausteil Dorfstrasse 16 (Versicherungsnr. 106, früher Nr. 12 c) von 1913, 1920, 1924 und 1937 im Lagerbuch der Gebäudeversicherung. 1920 sind Bauten vermerkt. Der Wert verdoppelte sich bis 1937. Der Rauminhalt stieg von 1913 um rund einen Viertel. Es sollte geklärt werden wie es dazu kam.
Bei der Beschreibung des Gebäudes werden im Gutachten viele verschiedene Teile genannt, ohne sie einer Zeitphase zuzuordnen und ohne zu versuchen, ein Bild von früheren Bauzuständen zu entwerfen. In der zusammenfassenden Würdigung wird dann aber behauptet: „Das heutige Erscheinungsbild des ehemaligen, bescheidenen Bauernhauses ist ein typisches Beispiel der damals üblichen Bauform aus dem frühen 17. Jahrhundert“. Wie unsinnig dies ist, belegt der folgende Satz, in dem die Vermutung geäussert wird, „dass unter den verputzten Mauerteilen am Wohnhaus eine Bohlenständer Holzkonstruktion vorzufinden ist …“. Trotz dieser blossen Vermutung und ohne Nennung irgendeines Belegs versteigt sich der Gutachter zudem zur Behauptung, es finde sich „originale Bausubstanz aus der Entstehungszeit … vor allem in der primären statischen Konstruktion der Aussenwände, der statischen Holzkonstruktionen im Dach- und Estrichteil und fragmentarisch bei den Innenwänden im Oekonomietrakt.“ Unverständlich ist ferner, warum mit keinem Wort auf das einzige, deutlich von der Strasse her zu erkennende Bauteil aus der Entstehungszeit des Gebäudes, nämlich einen Ständer mit angeblattetem Kopfholz hingewiesen wird (vgl. Bild). Dieser Ständer mit Kopfholz beweist, dass das Gebäude Dorfstrasse 18 nachträglich erhöht worden ist und deshalb nicht mehr, wie im Gutachten versichert wird, das Erscheinungsbild des Urzustands bietet.
Die Kriterien, die der Gutachter zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit heranzieht, lassen erkennen, dass er nicht recht verstanden hat, was gemäss Zürcher Planungs- und Baugesetz Schutzobjekte sind. Er scheint sich auch nie mit den in internationalen Gremien diskutierten und in Charten zusammengefassten Grundsätzen der Denkmalpflege auseinander gesetzt zu haben. Er schreibt, um schutzwürdig zu sein, müsse das Haus „gute architektonische Qualitäten“ aufweisen und „im Gemeindegebiet oder der Umgebung der einzige Zeuge seiner Art“ sein. Schade, dass er den Unterschied zwischen der allzu subjektiven Aussage „gute architektonische Qualität“ und dem Gesetzestext nicht sieht, der von „wichtige[n] Zeugen einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen Epoche“ spricht. Müsste es sich bei jedem Schutzobjekt um den einzigen Zeugen seiner Art im Ort handeln, könnten typische Bauten einer Gegend gar nicht unter Schutz gestellt werden. Die für die Wirkung eines Baudenkmals wichtige Umgebung ist nach dem zürcherischen Gesetz als ein Teil des schutzwürdigen Ganzen zu betrachten. Dies bedeutet allerdings nicht, wie im Gutachten zu lesen ist, dass es sich bei der Umgebung um eine wertvolle Anlage handeln muss. Ein gewöhnlicher Kraut- und Baumgarten wäre bei manchem Bauernhaus die passendere Umgebung als ein mit Buchshecken eingeteilter Ziergarten, wie vor einem herrschaftlichen Landhaus.
Es ist nun wichtig, dass der Schutzvertrag aufgrund neuer bauhistorischer Abklärungen und einer Analyse des Ortsbilds erstellt wird. Es ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass schon allzu viele Eingriffe in der Kernzone stattgefunden haben, bei denen man sich über gesetzliche Vorschriften hinwegsetzte, vor allem über die Vorschrift: "Neu-, Umbauten und Aussenrenovationen haben sich in kubischer Gestaltung, Fassade, Material und Farbe dem traditionellen Dorfbild anzupassen." Zudem sollte das in mancher Hinsicht nicht mehr genügende und nicht nachgeführte Inventar der schutzwürdigen Objekte aus den frühen 1980er Jahren überarbeitet werden. (ur Apr.14)
Verschiedene Aspekte des Denkmal- und Ortsbildschutzes in Unterengstringen werden demnächst auch im Themenbeitrag "Von der Inventaraufnahme bis zum Schutzvertrag" behandelt.