Die Gemeinde hat ein Bauprojekt, das den Charakter einer geschützten Gruppe von Bauten an der Alten Landstrasse zerstören würde, nicht nur bewilligt, sondern sogar noch aktiv unterstützt. Einen Rekurs, der letztes Jahr gegen die den Schutz aufweichende Abänderung der im Grundbuch eingetragenen Schutzverfügung erhoben worden ist, hat das Baurekursgericht gutgeheissen. Dies brachte jedoch die Behörden nicht zur Einsicht, dass ihre Abklärungen unzulänglich waren, und dass das nur mit wenigen Änderungen erneut eingereichte Umbauprojekt nicht entfernt denkmalpflegerischen Anforderungen und dem Sinn der Schutzbestimmungen entspricht.
Das Haus samt vorgelagertem Garten, Waschhaus und Scheune bilden eine der eindrücklichsten Gebäudegruppen an der ganzen Alten Landstrasse am linken Zürichseeufer.
Die Gebäudegruppe besteht aus einem 1786 erbauten Weinbauernhaus, einem offenbar 1804 erstellten Waschhaus und einer grossen Scheune. Ein vermutlich nachträglich gebauter, geschlossener, brückenartiger Gang verbindet das Wohnhaus mit dem Dachgeschoss des Waschhauses. In ganz Rüschlikon gibt es kein zweites bäuerliches Ensemble von Wohnhaus und typischen Nebenbauten, welche alle noch weitgehend ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt haben. Das auffällige Rautengittermuster des Fachwerks in den Giebelfeldern von Wohn- und Waschhaus ist im Verbreitungsgebiet des Fachwerkbaus im Kanton Zürich sehr oft bei Gebäuden des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts anzutreffen.
Die Gebäudegruppe bietet einen sehr beeindruckenden Anblick, obwohl das Haus nicht aussergewöhnlich stattlich ist. Zum schönen Anblick trägt der grüne Umschwung ohne Parkierungsflächen oder Garageneinfahrt viel bei und der hohe Wert der Gruppe wird noch dadurch gesteigert, dass oberhalb des Gartens an der Alsenstrasse weitere schutzwürdige Häuser stehen. Aus dem Inventar der kommunalen Denkmal- und Heimatschutzobjekte geht zudem hervor, dass auch das Innere des Hauses wichtige, schutzwürdige Teile enthält, nämlich im Keller die Sandsteinböden und eine Holzstud, in der Stube ein Täfer, ein Kachelofen und ein Nussbaumbuffet aus dem 19. Jahrhundert, ferner alte Türen und in den Nebenräumen Riegelwände sowie Bretterböden.
Das Ensemble ist eines der wenigen in Rüschlikon, dem im Inventar in jeder Beziehung eine hervorragende Bedeutung attestiert wird. Entsprechend wurde es dann auch 1989 vom Gemeinderat formell unter Schutz gestellt. Die Harmonie „der unterschiedlichen Gebäudekuben mit den gleichgerichteten grossen und kleinen Dachflächen“ wird im Beschluss besonders erwähnt. „Die Gebäude sind aussen und grossenteils auch innen in seltener Originalsubstanz erhalten. Dadurch sind sie in hohem Masse Ausdruck ihrer Entstehungszeit, insbesondere bezüglich Bauweise und Handwerkskunst“, hielt der Gemeinderat fest.
Die geplanten Dachlukarnen würden den Charakter der schönen Bautengruppe zerstören, die ohnehin wegen des schon längst bewilligten Ersatzbaus für die mittlerweile abgerissene Scheune stark gelitten hat (vgl. Bild unten).
Die Scheune ist schon vor längerer Zeit ohne Detailuntersuchung aus dem Schutz entlassen und ein sogenannter Ersatzbau bewilligt worden. Eine verantwortungsvoll handelnde Behörde hätte natürlich keinen solchen Bau bewilligen dürfen, bevor sie den Schutzumfang der ganzen Gruppe klärte.
Es sollte eigentlich heute selbstverständlich sein, dass vor jeder Massnahme, die ein inventarisiertes Denkmalpflegeobjekt betrifft, eine genaue Bestandesaufnahme zu erfolgen hat, und wo dies noch nicht der Fall ist, die Bau- und Besitzergeschichte soweit wie nur irgendwie möglich geklärt wird. Das vorhandene Gutachten, das im vorliegenden Fall in Auftrag gegeben wurde, stützte sich auf keine solchen Grundlagen. Wie der Vergleich der ursprünglichen und der geplanten neuen Schutzbestimmungen zeigt, stand für die Beteiligten wohl nur die Frage im Raum, mit welchen Argumenten die gültigen Bestimmungen so aufgeweicht werden könnten, dass den massiven baulichen Eingriffen, wie sie die Eigentümerschaft wünschte, nichts mehr entgegen stünde.
In den Erwägungen zur geplanten Neufassung wurde wegen der projektierten, arg störenden Dachlukarnen natürlich nicht mehr von der Harmonie der Dachflächen gesprochen und wegen des vorgesehenen Neubaus der Verbindung zwischen Haupt- und Waschhaus, der anstelle des Satteldachs eine Terrasse erhalten sollte, schien es den Befürwortern auch besser, die Bestimmung der Erhaltung des Charakters fallen zu lassen. Diese Änderung sollte jedoch nicht gleich in die Augen springen. Deshalb wurde nur das Wort "Charakter" zu "Grundcharakter" geändert, womit es eine so schwer fassbare Bedeutung erhielt, dass damit praktisch jeder Eingriff gerechtfertigt werden könnte. Klaren Wein über die Absichten einzuschenken wurde, wie so oft bei Umbauten von Schutzobjekten, so gut wie möglich vermieden. Die Abbruchbewilligung des alten gedeckten Verbindungsgangs zum Waschhaus hat man deshalb in die Worte gekleidet, der Gang dürfe in „einer ähnlichen Form und Detaillierung neu interpretiert werden". Das Wort Neuinterpretation ist leider heute eine übliche Floskel von Architekten, die ihre beabsichtigte, willkürliche Veränderung eines Schutzobjekts nicht zu begründen vermögen.
Der originelle Verbindungsgang vom Wohn- zum Waschhaus ist ein wichtiger Zeuge der Baugeschichte. Allein schon die Beobachtung einiger Details lässt erkennen, dass die bisherige Darstellung der Entwicklung des Ensembles grobe Fehler aufweist. Der projektierte, breitere Ersatzbau mit Terrasse würde das einheitliche Bild der historischen Bauten zerstören.
Schon das bisher Erwähnte dürfte dem Baurekursgericht genügt haben, um den Rekurs des Zürcher Heimatschutzes gegen die geplante Neufassung der Schutzbestimmungen gutzuheissen. Sicher spielte dabei aber auch die nicht näher begründete Kürzung der Liste der zu erhaltenden Teile eine Rolle. Bei der Neufassung der Liste wurden Kellerfenster, Riemenböden, einzelne Täfer und Zimmertüren, der Tonplattenboden im Treppenhaus und das Nussbaumbuffet im Wohnzimmer weggelassen. Es war nicht zu übersehen, dass die Neufassung nur den Zweck hatte die Schutzbestimmungen durch schwammige Formulierungen und Auslassungen aufzuweichen, um das bereits vorliegende Umbauprojekt mit all seinen Eingriffen in die Bausubstanz und in den Garten bewilligen zu können.
Die leider schon vor Jahren erfolgte Entlassung der Scheune aus dem Schutz und die Bewilligung eines wegen seiner Ausmasse und den vielen Lukarnen äusserst fragwürdigen Ersatzbaus stand leider nicht mehr zur Disskussion. Beides ist längst rechtskräftig geworden. Angesichts der massiven Beeinträchtigung des Ensembles sollte nun aber jeder weiter Kompromiss bei der definitiven Festlegung des Schutzumfangs ausgeschlossen werden.
Auch auf der Rückseite der Gebäude wurden verschiedenste das Bild zerstörende Eingriffe geplant. Das Doppelfenster des Waschhauses sollte durch eine breite Glastüre ersetzt werden, obwohl es bereits zwei alte Eingänge gibt und beim Wohnhaus sah man vor, weitere Fensteröffnungen auszubrechen. Die Entfernung des Kamins an der Giebelwand war fast die einzige vorgesehene Verbesserung.
Die Behörden sind verpflichtet bei jeder Planung auf inventarisierte Schutzobjekte Rücksicht zu nehmen. Es ist deshalb unbegreiflich, dass die Strasse ohne Trottoir unmittelbar vor den Gebäuden durchgeführt worden ist, während man vor noch nicht sehr langer Zeit auf der gegenüberliegenden Seite Autoabstellplätze angelegt hat.
Zum hohen Wert des geschützten Ensembles trägt auch bei, dass es auf der Nachbarliegenschaft an der Alsenstrasse weitere schützenswerte Gebäude aus der dörflichen Vergangenheit Rüschlikons gibt.
Der Entscheid des Baurekursgerichts hielt die Eigentümerschaft nicht davon das bisherige Projekt mit nur minimalen Verbesserungen erneut einzureichen. Schlimmer ist noch, dass die Behörden dieses Projekt bewilligt haben. Die fehlende Bauuntersuchung wurde offensichtlich nicht nachgeholt und grosszügig nicht nur die Verletzung der Schutzbestimmungen, sondern auch der eigenen Kernzonenordnung in Kauf genommen. (ur Jan./März 14)