Beabsichtigte Opferung des letzten Schutzobjekts im Weiler Hintermarchlen

Das letzte Schutzobjekt soll abgebrochen werden; die Baubehörden kümmerts nicht, sie haben in den letzten Jahrzehnten der zunehmenden Verschlechterung des Zustands untätig zugesehen.

Gefährdeter Weiler in schöner Landschaft

Wer von Kloten nach Embrach fährt, sieht kurz vor Lufingen links oben am Rand einer Geländeterrasse den kleinen Weiler Hintermarchlen. Die hinter Bäumen weitgehend versteckte Häusergruppe ist ein wichtiger Teil des hier auf kurzer Strecke glücklicherweise noch wenig beeinträchtigten Landschaftsbildes. Es versteht sich daher von selbst, dass dieser Weiler in seiner Eigenart erhalten werden sollte, wie es die Kernzonenvorschriften der Bauordnung von Lufingen vorschreiben.

Weiler Hintermarchlen zwischen Kloten und Embrach kurz vor LufingenAnstelle des Speichers, dessen Giebel über dem verwilderten Bewuchs zu sehen ist, soll noch ein weiterer Neubau zu stehen kommen.

"Zentrales Anliegen des Ortsbildschutzes ist die Bausubstanz- und Strukturerhaltung eines Ortes. Damit soll der historische Zeugniswert, die Geschichte eines Ortes ablesbar erhalten und der Nachwelt überliefert werden", schreibt das kantonale Amt für Raumplanung. Es ist klar, dass dieses Ziel mit Bauvorschriften allein nicht zu erreichen ist, sondern dass diese durch den materiellen Schutz von Häusern und anderen Denkmälern ergänzt werden müssen, wie es übrigens auch die gültigen Gesetze und Verordnungen verlangen.

Verschwindet das letzte inventarisierte Schutzobjekt in der Kernzone?

Es liess deshalb aufhorchen, als im August ein Gemeinderatsbeschluss zur Entlassung eines Speichers aus dem Inventar der Schutzobjekte publiziert wurde. In den 1980er Jahren war von Hintermarchlen nämlich nur gerade dieser 1833 erbaute Speicher und ein gegenüberliegendes, zwar älteres, aber vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tiefgreifend um- und neugebautes Bauernhaus mit der Empfehlung einer integralen Erhaltung ins Inventar aufgenommen worden. Die Befürchtung, es habe sich seither einfach niemand mehr um das schon damals in keinem guten Zustand befindliche Gebäude gekümmert, hat sich leider bestätigt. Jetzt wo der Eigentümer einen Neubau errichten möchte, hat der zuständige Gemeinderat eine - nun natürlich erschwerte - Sanierung offensichtlich gar nicht mehr geprüft, sondern das Gebäude einfach aus dem Schutz entlassen. Ein Rekurs gegen diesen Entscheid musste den dazu Berechtigten als wenig erfolgversprechend erscheinen und unterblieb deshalb. Es wird also der wichtige Zeuge der bäuerlichen Epoche des Weilers verschwinden und nichts mehr davon sprechen, dass die Ansiedelung weit in der Vergangenheit zurück erfolgte. Es blieb beim Beschluss der Inventarentlassung unbeachtet, dass es sich bei den Speichern um Elemente handelt, die einst auf jeder Hofstatt zu finden waren, heute aber selbst dort, wo man das alte Haupthaus erhalten hat, nur noch selten zu sehen sind.

 

Nach langer Vernachlässigung aus dem Schutzinventar entlassener SpeicherDie Behörden kümmerten sich während vieler Jahre nicht um den  Zustand des Speichers und liessen zu, dass er kaum mehr zu retten war. Jetzt soll er durch ein Wohnhaus ersetzt werden.

 Das Inventar der Schutzobjekte soll ein Arbeitsinstrument sein

Hat man im Gemeinderat vergessen, was in den Unterlagen zu dem von ihm in Auftrag gegebenen Schutzinventar festgehalten worden ist? Darin findet sich nicht nur das, was dazu die Gesetze und Verordnungen sagen, sondern auch die Begründungen, weshalb das Inventar wichtig ist. Es wird auf die „Dokumentation und Vertiefung der Kenntnisse über eine kontinuierlich und unwiderruflich schwindende Substanz von Lufinger Bau– und Wohnkultur, sowie ursprünglichen Landschaftsbildern und –elementen" hingewiesen und betont, dass das Inventar „wichtige Entscheidungsgrundlagen für Neu– und Umbauten, Abbrüche, Stellungnahmen, Gutachten und auch Schutzanordnungen" liefert. Weiter heisst es: „Ein Inventar soll nicht Selbstzweck sein, sondern als allgegenwärtiges Arbeitsinstrument die Entscheidungsfindung der Behörde erleichtern oder in die richtige Richtung lenken."

Wer unsere harsche Kritik missbilligt, wird sich fragen, ob denn nicht das oben erwähnte, zweite inventarisierte Objekt und die Kernzonenbestimmungen für  den Ortsbildschutz genügten. Nun sucht man aber heute an Ort und Stelle  vergebens nach dem zweiten Inventarobjekt. Wo es stehen müsste gibt es zwar ein Wohnhaus mit etwa den zu erwartenden Proportionen, aber kein Bauernhaus mit Wohn- und Ökonomieteil und keinen kleinen Dorfplatz, wie auf den Inventarblättern erwähnt. Es handelt sich um einen völligen Neubau, was auf eine Anfrage hin vom örtlichen Bauamt bestätigt worden ist. Abbruch und Neubau erfolgten im Jahr 2005, ohne dass die dazu erforderliche Inventarentlassung stattgefunden hat und publiziert wurde. Nach dem Grund dieses gesetzwidrigen Verfahrens befragt, lautete die Antwort: "Da die Gemeinde Lufingen über kein festgesetztes Inventar verfügt, war eine ordentliche Inventarentlassung wohl nicht notwendig". Wäre diese Antwort nicht schriftlich erfolgt, müsste man glauben, sich verhört zu haben. Da schreibt eine Gemeinde eine Inventarentlassung aus, gegen die rekurriert werden könne, und ein paar Wochen später, wird behauptet, es gebe eigentlich gar kein rechtskräftiges Inventar. Dies obwohl die Zürcher Gemeinden seit rund drei Jahrzehnten verpflichtet sind, ein solches zu führen. Die Liste, die in einer Zusammenstellung der kantonalen Denkmalpflege über die Qualität der Erfassung der kommunalen Schutzobjekte, als genügend bezeichnet wurde, und die Dokumente, die alle Interessierten beim Bauamt einsehen sowie offiziell Kopien davon bestellen konnten, sollen nicht verbindlich sein!

 Abwegige Grenzziehung der Kernzone

Bei der Beschäftigung mit der Kernzone Hintermarchlen ergeben sich leider nicht weniger bestürzende Beobachtungen. Das als Kernzone ausgeschiedene Gebiet umfasst nur einen Teil des Weilers und nicht einmal das ganze Areal der auf der Wildkarte aus der Zeit um 1850 erkenntlichen Gebäude. Die Zonengrenze läuft zwischen dem einen Wohnhaus und der zugehörigen Scheune durch, die noch auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 2002 zu sehen ist, mittlerweile jedoch durch einen grösseren Bau ersetzt worden ist. Es fragt sich, ob es überhaupt zulässig war, ein so kleines Areal als Kernzone auszuscheiden, das zum vorneherein eine Erhaltung der Eigenart des Weilers ausschloss. Die beiden rücksichtslos ins Gelände gestellten Mehrfamilienhäuser, die eben fertiggestellt und zum Teil an die Stelle der für unsere bäuerlichen Weiler einst so typischen Baumgärten getreten sind, beleidigen entstellen das einst stimmige Landschaftsbild.

Neue Mehrfamilienhäuser in der KernzoneDie Kernzone ist nicht dem gesetzlichen Zweck entsprechend festgelegt worden, sondern mit einem merkwürdigen, schmalen Fortsatz in die Landwirtschaftszone hinaus, weil sonst der Bau dieser Häuser zum vorneherein ausgeschlossen gewesen wäre.

Wie auf der ersten Abbildung zu erkennen ist, beeinträchtigen sie auch den Anblick des Weilers von der Hauptstrasse her, also desjenigen Teils dem der leichthin preisgegebene, schutzwürdige Speicher wenigstens noch etwas Charakter verlieh. Es hilft dem Weiler offensichtlich auch nicht, dass die fragwürdige Kernzone rundum von einer Landwirtschaftszone umgeben ist; wenigstens solange nicht, als dieses Land und Ökonomiebauten zum Abstellen von Baumaschinen und Gerümpel missbraucht werden.(ur Nov.13)

Als Abstellplatz von Baumaschinen missbrauchte wiese in der LandwirtschaftszoneMan fragt sich, ob der Betrieb mit verschiedenen ausgedienten Baumaschinen in der Landwirtschaftszone zulässig ist.

Hinweis:

In einem Artikel im Zürcher Unterländer vom 18. 4. 2014, Online http://www.zuonline.ch/artikel_224280.html, wurde der Fall aufgegriffen. Dort ist zu lesen, dass der Gemeindeschreiber auf Anfrage ebenfalls die rechtlich falsche und deshalb sehr bedenkliche Aussage gemacht habe, dass eine Ausschreibung der Opferung des Bauernhauses nicht nötig gewesen sei, weil das Inventar nicht rechtskräftig sei.

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